Genau an meinem Geburtstag, im Dezember 2017, bekam ich die E-Mail. Ich hatte Losglück und einen Startplatz für den Chicago Marathon 2018! Der Chicago Marathon gehört zu den sechs „World Marathon Majors“ und ist nach dem New York City Marathon der zweitgrößte Marathon dieser Serie.
Am 03.10.18 ging es für uns dann ab nach Chicago.
Den ersten Tag verbrachten wir dann natürlich standesgemäß mit einer ausführlichen Sightseeingtour. Wir bekamen aber auch gleich schon mal einen ersten Eindruck von den Wetterschwankungen in dieser Stadt. Zwischen Hochsommer und schlimmsten Herbstwetter liegen manchmal nur ein paar Stunden. Temperaturschwankungen von gut und gerne 20° Grad sind hier nicht ungewöhnlich. Und dazu eben immer dieser Wind! Dennoch haben wir bereits am ersten Tag einen wundervollen Eindruck dieser faszinierenden Stadt bekommen!
Am Freitagmorgen hieß es dann ab zur Marathon Messe zum Abholen der Startunterlagen. Die Expo im „McCormick Place“ war einfach nur perfekt organisiert. Keine Wartezeiten, obwohl der Andrang riesig groß war. Dazu gab es ein T-Shirt sowie ein Poster für alle Läufer dazu. Nur der Nike-Stand war hoffnungslos überfüllt. Da ich mich aber bereits am Vortag in einem Nikestore mit sämtlichen Shirts und Laufjacken eingedeckt habe, war mir das egal. Anschließend setzten wir unsere Sightseeingtour fort und gönnten uns eine Bootstour über den Chicago River. Vorbei an allen Hochhäusern der Stadt erfährt man so einiges über die Geschichte der Stadt und die Architektur der Häuser. Absolute klasse!
Am Samstagmorgen stand dann bereits um 7:30 Uhr der Start zum „Frühstückslauf“ auf dem Programm. Nachdem das Wetter am Vortag noch okay war, stand nun strömender Regen auf dem Programm. Dennoch war der Lauf gut besucht und nach einer kleinen 5 km Runde durch Downtown Chicago, gab es dann auch schon eine nette Medaille um den Hals gehängt! Es sollte die leichter verdiente Medaille an diesem Wochenende sein.
Den weiteren Tag verbrachten wir bei einer Mafia-Bustour durch Chicago und dem Abendessen beim Italiener!
Der Sonntag begann sehr früh, da der Start bereits um 7:30 Uhr ist. Die Anfahrtswege sind zudem in einer amerikanischen Großstadt etwas weiter. So ging es schon um kurz nach 5 Uhr – und nach einem kleinen Frühstück - los zum Start! Es regnete in einer Tour und so waren die Laufschuhe schon Stunden vor dem Start komplett nass. Die Organisation im Startbereich war auch hier absolute Weltklasse. Kurze Wege, kein langes Warten (nicht mal an den Toiletten) – Verpflegung schon vor dem Start. Da ich (aufgrund hoffnungsloser Selbstüberschätzung bei der Anmeldung) im Startblock C starten musste (A waren die Profis, B die unter 3 Stunden), ging es für mich schon mit der ersten Welle auf die Strecke. Und nach der Nationalhymne (Gänsehaut!) ging es auch sofort auf die Strecke. Die Straßen sind sehr, sehr breit und so gibt es überhaupt kein Platzproblem am Start. Meine Befürchtung, dass sich das regnerische Wetter auf die Unterstützung der Zuschauer auswirken würde, bestätigte sich zum Glück nicht. Im Gegenteil! Unfassbar, wie viele Menschen sich bei dem Wetter an die Strecke gewagt haben und wie viel Krach sie machten. Selbst zu Berlin in diesem Jahr kein Vergleich. Einen Plan, wie ich das Rennen angehen wollte, hatte ich nicht. Ich wollte in meinem Wohlfühltempo einfach mal so lange laufen, wie es geht und den Rest irgendwie nach Hause bringen. Und trotz des Regens lief es wirklich gut. Ich habe ein gutes Tempo gefunden, die ersten 10 km hinaus aus der Stadt verflogen ziemlich schnell und ich konnte so viele Momente aufsaugen. Zwischen Meile 9 und 10 konnte ich dann meine kleine Supportergruppe überraschend am Straßenrand entdecken!
Sie hatten sich also doch früh aus dem Bett gequält bei dem Sauwetter! Da ging es aber auch schon wieder Richtung Downtown – ab durch die Hochhausschluchten. Auch die Halbmarathonmarke verflog schnell und ich fühlte mich nach wie vor gut – auch wenn die Beine etwas schwerer wurden. Bei Km 25 wartete „mein Team“ dann das zweite Mal auf mich und inzwischen wurde der Regen etwas weniger. Die Kilometer verflogen nur so. 26, 27, 28… auch wenn ich merkte, dass das Tempo etwas langsamer wird. Die 30iger Marke nahm ich dennoch noch unter 3 Stunden – aber schon kurze Zeit später ging nicht mehr viel. Es ging in die Vororte – und auch dort war der Support noch super. Das Problem war eher die niedrigere Bebauung – den jetzt pfiff der Wind. Und das bei klatschnasser Laufkleidung. Mir wurde richtig kalt und ich hatte wirklich Probleme mich noch zu pushen. Immer wieder musste ich kurze Gehpausen einlegen, die Wade schmerzte – aber immer wieder kam Applaus und Zuspruch von den Zuschauern. Und irgendwann tauchte dann auch die 35iger Marke auf! Ab da wusste ich, dass ich den Rest auch noch schaffe. Rund lief es zwar immer noch nicht, aber spätestens 3 km später, als es zurück in die Innenstadt ging und man die Hochhäuser erspähen konnte, fand ich wieder einen akzeptablen Rhythmus und konnte dann auch zu Ende laufen. Die letzten 2 Meilen waren einfach unbeschreiblich. So ein Lärm, so viele Leute – das habe ich noch nicht erlebt. Noch eine Meile – und zwei Kurven später war es geschafft! Mit ein paar Tränen in den Augen laufe ich über die Ziellinie! Das war hart heute! Aber ich habe es geschafft. Ich habe den Chicago Marathon gefinished. Selbst mit der Zeit bin ich am Ende ziemlich zufrieden (zumindest wenn man sie in Relation zum Trainingsaufwand des letzten Jahres betrachtet!) Überglücklich lasse ich mir die Medaille umhängen und mich im Zielbereich von meinen Supportern beglückwünschen!
Alles in allem ein richtig tolles Erlebnis mit so vielen unglaublichen Eindrücken und so vielen tollen Menschen, die alle das Laufen verbindet! Für mich sind die nächsten Pläne bereits geschmiedet – in 2019 hole ich mir den dritten Major Stern. Dann in New York City!
Michael Stuhldreier